Ich erinnere mich noch genau an das Kreischen des Krans, wenn er die Lasten hob. Der Haferkran war ein stählerner Riese, der Tag für Tag Kornsäcke aus den Schiffsbäuchen zog. Für uns Schauerleute war das kein Schauspiel, sondern tägliche Plackerei. Wenn die Säcke endlich unten lagen, wuchteten wir sie auf die Schultern. Einer nach dem anderen, schwer wie Mühlsteine.
Ich war jung damals, kräftig, voller Stolz auf meine Muskeln. „Wat den een sien Uhl, is den annern sien Nachtigall,“ sagte einer der Alten, wenn wir die Zähne zusammenbissen und lachten, um die Qual nicht zu zeigen. Für uns war es Arbeit, für die Herren am Kai nur Geschäft. Aber ich schwöre dir: in jedem Korn, das wir schleppten, lag unser Schweiß, und mit jedem Sack wuchs die Last, die wir später im Alter tragen mussten.
Heute, wenn mir die Knochen knacken, weiß ich: Die Jugend zahlt man im Alter zurück. Damals merkte ich es kaum. Ich erinnere mich an Abende, an denen wir nach Feierabend im Schankraum saßen, die Schultern wund, die Hände zerschunden. Dann hieß es: „Een is keen.“ Das Bier floss, der Rum kam dazu, und wir lachten so laut, dass der Schmerz für ein paar Stunden schwieg.
Manchmal kamen auch die Randfiguren des Hafens vorbei: der „Schiefhals-Peter“, der nie gerade laufen konnte, aber beim Kartenspiel jeden übers Ohr haute. Oder „Greta mit de großen Hände“, die so stark war, dass sie einen Sack allein auf die Schulter hob – und die Männer lachten erst, wenn sie schon doppelt so viel geschafft hatte wie sie. Solche Leute machten den Hafen bunt, auch wenn das Grau uns alle umgab.
Und doch, wenn ich nachts nach Hause ging, fühlte ich den Druck der Säcke noch lange auf meinem Rücken. Es war, als ob der Haferkran selbst mich nie mehr loslassen wollte. Manchmal träumte ich, er beuge sich über mich, mit seinem langen Arm, und ich könne nicht weglaufen.
Heute, wenn ich am Hafen vorbeigehe und die modernen Kräne sehe, denke ich an jene Tage. Sie bewegen Container wie Spielzeug. Kein Schweiß mehr, keine schmerzenden Schultern. Doch ein Stück Menschlichkeit fehlt. Wir waren Teil der Last, Teil des Rhythmus. Der Hafen klang damals anders – schwer, ächzend, und doch lebendig.
„Ein Sack, ein Schritt, ein Atem schwer,
der Schauer trägt das halbe Meer.
Wo Kran und Körper eins sich fand,
lag Hamburgs Herz im Schauerhand.“
