Der Bäckerjunge und die Gedanken an die Zukunft

Ich trete erneut auf die Kaimauer, die Planken noch feucht von der Nachtflut. Bootsmann stapft neben mir, die kleine Schnauze im Wind, als wolle er die salzige Luft einatmen und gleich wieder ausstoßen.

Der Bäckerjunge kommt durch die Gasse gerannt, seine Kiepe schwer beladen mit seinem Allerleih.
Er bleibt keuchend stehen und schaut mich mit großen Augen an:
„Pain au chocolat oder lieber Chocolatine?“

Ich lache leise und schüttele den Kopf, während Bootsmann neugierig seine Nase an der Kiepe reibt. Die kleinen Brötchen duften süß und buttrig, die Füllung schmilzt fast auf der Zunge. Ich spüre die Erinnerung an lange Nachmittage, als man noch unschuldig in der Sonne saß und vom Hafen träumte.

Auf den Landungsbrücken habe ich immer so gerne meine „Croissants“ und „Chocolatines“bei dem alten französischen Bäcker gegessen. Nur er hatte genug Hitze im Ofen und Geschick in der Hand, um wirklich leckeres Frühstück zuzubereiten.
Es gab natürlich immer den Streit um den Namen der Sache. Die Franzosen aus dem Süden sagen „chocolatine“ und die anderen sagen dazu „pain au chocolat“. Aber wir haben uns deswegen niemals geprügelt.

Am Haferkran schieben sich auch schon die ersten Schauerleute mühsam durch die ersten Sonnenstrahlen und Arbeitsschritte. Ihre Schultern sind breit, die Hände schwielig, die Muskeln ziehen von Jahren harter Arbeit. Ich beobachte, wie sie die schweren Säcke stemmen, und ich spüre in mir die Verbindung zu all den Generationen, die hier ihre Lasten getragen haben. Einer der Männer nickt mir zu, und ich höre die alte Seemannsweisheit in seinem Blick: „Wer das Wasser kennt, der kennt auch das Leben.“

Bootsmann springt auf eine lose Planke, balanciert kurz, als wäre er ein kleiner Kapitän auf hoher See. Ich frage mich, ob ich ihn einmal mit auf ein Schiff nehmen sollte, oder ob er lieber hier an Land bleibt, unter den Planken, den Kisten und dem Geruch von frischem Brot und Hafer. Die Frage zieht sich durch meinen Kopf wie ein alter Fluss, ruhig und tief.

Wo Zitronen duften und Planken knarren,

lernen wir vom Leben, es lässt sich nicht narren.


Fischmarkt, Hafer, Brot und Hund,


alles verwoben in alter Stund.


Zitronenjette erscheint am Marktstand in einem hellgrünen Kleid, das im Wind flattert. Sie lächelt mir zu, nimmt eine Zitrone in die Hand und riecht daran, als wollte sie jede Nuance erfassen: von der sauren Frische bis zum leicht süßen Aroma der Schale. Ich denke an die Geschichten, die sie mir erzählt hat, an Tänze in den Mai und den Sommer, an das Lachen im Sand und an das barfuß gehen..

Die Gedanken schweifen weiter. Ich überlege, wie die Zukunft aussehen könnte – ein Altersheim, ein Ort, an dem Menschen wie ich, wie viele andere aus meiner Generation, zusammenfinden, Erinnerungen teilen und neue Geschichten erleben.
Ich denke an Schinkel, den klugen Kopf, der schon Häuser plante, die Menschen zusammenbrachten, ohne dass es bedrängend wirkte. Und ich denke an meinen Blick nach draußen in die Welt.

Bootsmann stupst mich an, als wollte er sagen: „Träum nicht zu viel, wir haben genug am Morgen zu tun.“
Ich lächle und kraule ihn hinter den Ohren. Die kleinen Herausforderungen des Alltags, die Begegnungen mit Menschen, den Geruch von Brot und Hafer, das Lachen von Kindern und Marktfrauen – all das ist ein lebendiger Puls, der mich am Leben hält.

Am Rand des Hafens sehe ich die Kähne schaukeln, die Netze hängen schwer von Fischen, die Seile knarren im Wind. Die Schauerleute heben die letzten Säcke und lachen über alte Witze, die sie schon seit Jahrzehnten kennen. Ich höre, wie einer von ihnen sagt: „Früher haben wir alles getragen, heute trägt die Erinnerung uns.“ Ich nicke und denke an all die Geschichten, die noch erzählt werden müssen, an die Begegnungen, die noch kommen.

Tetje Velmede

Tetje Velmede Dipl. Sozialpsychologe (.fr) Dipl. Arbeitspsychologe (.fr)