Mit Jette auf dem Fischmarkt

Die Marktstände biegen sich unter der Last von Heringen, Lachsen und Muscheln. Zitronenjette steht dort, wie immer in ihrem luftigen Kleid mit dem weiten Unterrock, der beim Drehen kleine Wellen wirft. Die Sonne fängt die gelben und grünen Früchte ein, und ihr Duft mischt sich mit dem salzigen Atem des Hafens. Ich sehe, wie die Zitronen auf den Holzplanken glänzen, und sie lacht mir zu, während sie eine besonders saftige Zitrone aufnimmt und den Geruch tief einsaugt.
„So frisch wie die Flut heute morgen, Tetje“, ruft sie, und ich kann nicht anders, als zu nicken.


Die Flut zieht fort, die Planken glänzen,

alte Geschichten in den Wellen tanzen.

Ein Hund, ein Lächeln, ein Zitronenduft,

verwebt mit Seeluft und Hafensluft.

Ich trete auf den alten Pflasterstein des Fischmarkts,und gleich umfängt mich der Duft von Salz, Fisch und der leichten Süße der Zitrusstände. Die Flut hat das Wasser bis an die Kaimauer getrieben, und der Wind wirbelt feine Tropfen wie Konfetti durch die Luft. Bootsmann tapselt neben mir, die Ohren gespitzt, bereit jeden entlaufenen Krabbenkorb zu sichern.


Bootsmann schnuppert neugierig an jedem Korb, die kleine Schnauze blinkt im Sonnenlicht. Manchmal stolpert er über eine lose Kiste, manchmal bleibt er stehen, als wolle er prüfen, ob die Fische ihm wohlgesinnt sind. Ich lache leise, und in Gedanken frage ich mich, ob ich ihn einmal auf die Kaimauer lassen würde, wenn ich selbst an Bord eines Auswandererschiffs stünde. Die Frage bleibt unbeantwortet, nur im Kopf kreisen die Möglichkeiten: Freiheit für ihn, Sicherheit für mich, die unlösbare Balance zwischen Nähe und Loslassen.

Die Schauerleute stöhnen unter den Kisten des Haferkrans. Ihre Muskeln sind schwer von Jahren harter Arbeit, und der Geruch von Schweiß mischt sich mit feuchtem Holz. Ich erinnere mich, wie sie als junge Männer über die Planken sprangen, stark wie Pferde, unermüdlich und doch heute gezeichnet von der Zeit. Einer von ihnen nickt mir zu, und ich spüre die Verbindung von Generationen: die Last des Lebens, die Spuren im Körper, die Geschichten in den Gesichtern.

Der Bäckerjunge kommt mit seiner Kiepe, dampfende Franzbrötchen und die Frage im Gepäck: „Pain au chocolat oder doch lieber Chocolatine?“ Ich kann nicht anders, als ihm die kleinen Unterschiede zu erklären, und ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Bootsmann sitzt derweil geduldig zu meinen Füßen, als wüsste er genau, dass kleine Lektionen der Vergangenheit die wichtigsten sind.

Zitronenjette dreht sich einmal um, ihr Unterrock wirbelt, die Luft voller Zitrusduft, und sie ruft: „Tetje, vergiss nicht den Flutstand zu beachten! Sonst werden deine Schuhe nass wie beim letzten Jahr.“ Ich lächle und sehe hinunter auf die nassen Planken, die von der hohen Flut glänzen. Das Wasser reflektiert die Sonne in flirrenden Wellen, und die kleinen Boote tanzen auf den Wellen wie alte Freunde.

In einer Ecke der Pinte, die ich später besuchen werde, rieche ich schon den Rauch des Kamins, das Holz, das langsam glimmt, und das Ale, das seine laue, gewöhnungsbedürftige Wärme verbreitet. Die alten Fenster öffnen sich dem Licht, die zwei Räume – einer für das einfache Volk, einer für die Stammgäste – bieten unterschiedliche Perspektiven auf dasselbe Leben. Ich stelle mir vor, wie die Menschen dort sitzen, lachen, Geschichten erzählen. Ich kann ihre Stimmen hören, die Gedanken und Sorgen mischen sich mit dem Rauch und dem Duft von getrocknetem Holz, Brot und Seeluft.

Meine Gedanken wandern zurück zu Bootsmann. Würde ich ihn an Land lassen, wenn ich selbst auf das Schiff ginge? Sicher würde er japsen und aufgeregt um mich herum springen, oder sich doch lieber hinter einer Kiste verstecken. Vielleicht ist es seine Natur, vielleicht meine. Diese kleinen Fragen über Freiheit, Vertrauen und Begleitung ziehen sich durch mein Denken wie die Ströme durch den Hafen.

Die Flut steigt weiter, der Geruch von Algen, feuchtem Holz und Salz schwingt in der Luft. Alte Hafenkähne knarren unter der Last des Wassers, und die Stimmen der Schauerleute, die früher schwer Lasten getragen haben, hallen in meinem Kopf nach. Ich erinnere mich an die Geschichten von damals, wie sie in jungen Jahren mühsam die Kisten hievten, ohne sich zu beklagen. Ihre Mühen, ihre Witze, ihre Verletzungen – alles zusammen ein Rhythmus, der den Hafen atmen lässt.

Bootsmann stupst meine Hand an, ich kraule seinen Kopf, und für einen Moment ist alles einfach: der Duft von Zitronen, das Kreischen der Möwen, das Lachen von Jette, die Gespräche der Marktleute. Ein Hauch von Melancholie liegt über der Flut, die Sonne sinkt, das Licht wird weich, fast golden, und ich atme tief ein.

Tetje Velmede

Tetje Velmede Dipl. Sozialpsychologe (.fr) Dipl. Arbeitspsychologe (.fr)