Die Straßen waren noch feucht vom Morgenregen, als Tetje den Weg hinaufging, vorbei an alten Linden und den bröckelnden Backsteinmauern eines Viertels, das schon bessere Tage gesehen hatte. Am Horizont ragte kein Mast, sondern das rote Dach des Altenheims, das sich zwischen den Bäumen duckte, als wolle es nicht zu sehr auffallen. „Hier endet mancher Weg“, dachte Tetje, „und doch fangen hier auch neue Geschichten an.“
„Morgenstund hat Gold im Mund“, hörte er die Worte seiner Großmutter im Kopf, die diesen Spruch immer dann sagte, wenn er als Junge verschlafen in die Küche geschlurft war. Er hatte es dann vorher immer alleine schaffen müssen, sich anzuziehen. Wie der Hase aus dem Märchen.

Tetje setzte sich auf eine Bank im Eingangsbereich. Drinnen roch es nach Kaffee, frisch gebackenem Brot und einer Spur Desinfektionsmittel. Er kannte diesen Geruch als typischen Geruch für hier. Ganz so, wie man einen guten Fischladen schon aus der Ferne am Geruch erkennt.
Er beobachtete die Menschen, die auf den Fluren vorbeischoben, und die Farben, die sie begleiteten. Viele hatten Geschichte in ihren Augen wie es Farben und Geschichten in Büchern gibt. Und manch gutes Buch braucht Weile und Mühsam, um geschrieben zu werden.
Er schlenderte weiter, hinein in den Garten, wo ein paar Bewohner den Blick in die Sonne genossen.
Ein alter Mann nickte ihm zu, und Tetje setzte sich neben ihn.
„Früher bin ich selber Schiffe gefahren“, sagte der Mann unvermittelt.
Tetje horchte auf – wieder der Hafen, wieder das Meer. Aber dann kam ein Zusatz:
„Heute segel ich nur noch in meinen Gedanken.“
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