Ich trete ein in die Kombüse des neuen Heims – und sofort riecht es nach Suppengrün, nach gebratenem Fisch und nach frisch gebackenem Brot. Für mich, den alten Seemann, ist die Kombüse immer das Herzstück gewesen. Auf See war sie der Ort, wo wir zusammenkamen, wo Wärme herrschte, wenn draußen der Sturm tobte.
Nun, im Hafen des Alters, soll es nicht anders sein. Ich stelle mir lange Tafeln vor, an denen wir hocken wie Mannschaften auf hoher Fahrt. Jeder bringt seine Geschichte mit, und beim Essen werden die Geschichten weichgekocht wie Erbsensuppe im Kessel.
Die Köchin, die hier einmal wirken wird, sehe ich schon vor mir: eine Frau mit kräftigen Armen, die weiß, dass Liebe durch den Magen geht. Vielleicht sitzt sie selbst abends bei uns, mit einer Schürze voller Mehl, und hört zu, wenn wir erzählen von früheren Fahrten.
Aber die Kombüse soll mehr sein: nicht nur ein Raum für Mahlzeiten, sondern ein Ort des Austauschs. Wer nicht mehr allein essen kann, bekommt Gesellschaft. Wer nicht mehr kochen kann, darf trotzdem beim Rühren im Topf helfen. Selbst das Abschmecken mit einem alten Löffel wird zur Geste der Würde.
Ich erinnere mich an eine Nacht auf See, da waren wir wochenlang nur von Salzhering und Schiffszwieback abhängig. Da sagte mein Steuermann: „Junge, ein warmer Eintopf ist die halbe Rettung.“ Und er hatte recht. Essen gibt Kraft – und im Heim gibt es zugleich ein Gefühl: Wir gehören zusammen.
Vielleicht stelle ich mir deshalb die Kombüse wie eine Hafenkneipe vor, nur ohne Alkohol. Ein Ort des Willkommens, wo keiner allein in seiner Kajüte bleiben muss.
Chor der Griechen
„Er spricht vom Essen, als wäre es eine Schlacht,“ lacht Achill.
„Essen ist ein Opfer und eine Feier zugleich,“ murmelt Dionysos, „doch ohne Wein bleibt der Becher leer!“
Athene hebt den Finger: „Die Kombüse ist nicht nur Magen, sondern Geist. Gemeinschaft wird dort geknetet wie Brot.“
Odysseus nickt: „Wer zusammen isst, plant auch zusammen. Sogar Kriege wurden bei Mahlzeiten geschmiedet.“
Der Chor schließt: „Also, Tetje, bau deine Kombüse groß und hell. Denn wer satt ist, vergisst nicht so schnell die Einsamkeit. Und nun? Wohin führt der nächste Weg? Vielleicht in den Salon, wo nicht gegessen, sondern erzählt und gelauscht wird.“
Kapitel 4 – Die Kombüse des Lebens
Ich-Form, Einstieg
Wenn ich die Augen zumach, hör ich zuerst das Klappern von Töpfen. Kein Orchester, kein Glockenspiel, sondern das ehrliche Geklingel von Kochlöffeln, Blechnäpfen und Kesseln. Für mich ist das Musik. Denn die Kombüse war immer der Motor meines Lebens – ob auf Schiffe, in Hafenschuppen oder bei den Alten, die ich schon betreut hab.
Ich sag dir: Wenn die Kombüse kalt ist, ist das Schiff tot. Da kannst du die schönste Brigg oder den stolzesten Dampfer haben – wenn keiner warmes Essen kriegt, sinkt dir die Moral schneller als ein Stein im Hafenbecken.
Erinnerungen von See
Ich erinnere mich an eine Fahrt auf der „Guten Hoffnung“, das war ein Frachter, der klang größer, als er war. Wir hatten Sturm im Skagerrak, und die Kombüse war kaum größer als’n Schapp. Aber unser Smutje, ein kleiner Bremer mit schiefem Rücken, der hat da gezaubert! Kartoffeln mit Zwiebeln, ein Rest Speck – mehr nicht. Aber wie der die in der Pfanne gedreht hat, Junge, das war Rettung. Wir saßen in Ölzeug, patschnass, und haben gefressen wie Könige. Ich hab da gelernt: Ein voller Bauch hält die Mannschaft zusammen, egal, wie sehr das Schiff schaukelt.
Oder später, im Hafen von Antwerpen – da haben wir nach Tagen Schwerstarbeit beim Löschen von Kohlesäcken die Kantine gestürmt. Da roch es nach Erbsensuppe mit Rauchfleisch. Ich schwör dir: Manche Kerls hätten ihren halben Lohn für’n zweiten Teller hingelegt. Essen war immer mehr als satt werden – es war Zuhause, auch in der Fremde.
Übertragung ins Altersheim
Und nun steh ich hier, in Gedanken in meinem eigenen Heim, und frag mich: Wie muss die Kombüse für uns Alte aussehen? Nicht nur Töpfe, Herd und Messer – nein, sie muss wie’n Hafen sein. Da, wo man anlegt, wo die Fahrt des Tages endet.
Ich will keine sterile Küche, wo nur Personal rumläuft und wir wie Gäste behandelt werden. Nee, die Kombüse muss offen sein. So wie früher an Bord: Wer Zeit hatte, hat geholfen. Einer schnibbelte Möhren, der nächste spülte Teller, und einer hielt nur Klönschnack mit’m Smutje. So bleibt man Teil vom Ganzen.
Ein Altersheim ohne Kochgerüche ist wie’n Hafen ohne Möwen. Ich will, dass man schon auf dem Gang riecht, was heute gibt. Dass die Alten fragen: „Was kocht ihr da?“ – und sich freuen wie Kinder.
Persönlicher Bezug zur Betreuung
Ich denk auch an die Zeit, als ich selber Betreuungskraft war. Da hatten wir einen alten Fischer, der hat kaum noch gesprochen. Aber wenn wir zusammen in der Küche Bratheringe eingelegt haben, da fing er plötzlich an zu erzählen. Von Stürmen, Netzen und Fanggründen. Seine Hände wussten noch, was zu tun war, auch wenn sein Kopf manchmal Pause machte. Das hat mich geprägt: Die Kombüse weckt Erinnerung.
Bilder im Kopf
In meinem Heim seh ich lange Tische, wie Planken nebeneinander. Nicht kleine Vierertische wie in Restaurants – nein, richtige Tafeln. Dass einer sich setzen kann, wo er will. So war das auf Schiffen auch: Einer rutschte, der andere rückte, und schon saßen wir dicht beieinander. Nähe macht Wärme.
Ich stell mir auch vor, dass wir manchmal zusammen Brot backen. Den Teig kneten, Hände voll Mehl – das bringt uns zum Lachen. Und wenn einer nicht mehr kann, macht der andere weiter. Gemeinschaft ist, wenn man den Löffel weiterreicht.
Humorvolle Erinnerung
Einmal, auf der „Seestern“, wollten wir Rührei machen. Doch der Smutje war betrunken, und statt Salz hat er Zucker reingehauen. Was haben wir geflucht! Aber am Ende haben wir gelacht, bis uns der Bauch wehtat. Solche Geschichten gehören in die Kombüse – Fehler, die uns zusammenschweißen.
Die Frage
Also frag ich mich: Wie baue ich die Kombüse so, dass sie uns trägt, wenn die Knochen müde werden? Mit Wärme, mit Gerüchen, mit Geräuschen. Vielleicht auch mit einem Fenster zur Elbe, dass wir sehen, wie die Schiffe kommen und gehen. Denn auch das ist Leben: der Blick hinaus, während man drinnen zusammen isst.
Chor der Griechen
Achill (grimmig): „Er redet von Kartoffeln und Zwiebeln, als wären’s Waffen gegen den Tod!“
Athene (ernst): „Und sind sie das nicht? Nahrung ist Strategie, Ordnung, Vernunft.“
Dionysos (lachend): „Ich will Wein in die Suppenschüssel kippen, dass die Alten wieder singen!“
Odysseus (schmunzelnd): „Der Mann weiß, was Gemeinschaft heißt. Essen ist List und Bündnis, wie damals in Troja.“
Hera (ruhig, aber spitz): „Aber vergiss nicht die Frauen, Tetje! Wer kocht, hält Macht in den Händen. Lasst auch sie am Ruder.“
Und der Chor spricht zusammen:
„Die Kombüse ist kein Ort der Mägen allein. Sie ist das Feuer des Herzens. Wer dort sitzt, lebt länger, lacht leichter, und trägt die Last nicht allein. Also, Tetje, bau sie groß und offen, wie’n Hafen im Sturm. Und die nächste Frage? – Was wär ein Heim ohne einen Salon, wo Stimmen klingen wie Wellen im Wind?“
