Die Bibliothek der Erinnerung

Wenn ich die Augen schließe, sehe ich Regale, hoch wie Masten, gefüllt mit Büchern. Die Bibliothek ist für mich wie der stille Hafen, in dem Schiffe liegen, die schon lange nicht mehr fahren, und doch ganze Ozeane in sich tragen.

Hier sitzen Menschen in Sesseln, eine Decke über den Knien, und lesen. Manche laut, manche still. Ein alter Mann könnte hier wieder Verse entdecken, die er mit 20 auswendig konnte. Eine Frau könnte alte Briefe schreiben, an Enkel oder an längst verlorene Freunde.

Die Bibliothek ist auch ein Archiv der eigenen Geschichten. Vielleicht legen wir hier unsere Lebensbücher ab: Fotos, Erzählungen, kleine Erinnerungen. So, dass keiner verloren geht, wenn das Schiff des Lebens endgültig ablegt.

Ich erinnere mich an Nächte auf See, da haben wir alte Logbücher gelesen – und fanden darin Mut für den nächsten Sturm. Genau das wünsche ich mir hier: dass Bücher Mut spenden, Trost geben, Horizonte öffnen.

Chor der Griechen

„Worte sind Schwerter,“ ruft Achill.
„Und Netze,“ ergänzt Odysseus, „sie fangen Gedanken ein.“
Athene nickt: „Eine Bibliothek ist wie ein Tempel. Hier betritt man den Raum der Götter.“
Dionysos wirft dazwischen: „Und doch, kein Buch riecht so gut wie ein Becher Wein!“
Der Chor singt: „Bücher sind Segel der Erinnerung. Sie tragen über Zeiten hinweg. Und was kommt danach? Vielleicht der Garten, wo die Natur selbst das Buch der Alten schreibt.“

Tetje Velmede

Tetje Velmede Dipl. Sozialpsychologe (.fr) Dipl. Arbeitspsychologe (.fr)